[project log] Johannes' Low Information Diet Januar 2021
Low Information Diet Januar 2021
Ich beginne das Jahr 2021 mit einer Low Information Diet - wer mag möge sich anschließen.
WIR
Es geht darum,
1.) keine irrelevanten Informationen zu konsumieren,
2.) relevante Informationen auf eine angemessene Weise zu konsumieren und
3.) die frei gewordene Zeit sinnvoll einzusetzen.
Jeder entscheidet dabei individuell und persönlich, welche Informationen relevant oder irrelevant sind, wie er Informationen konsumieren möchte und was sinnvolle Alternativen sind. Die Form der Low Information Diet ist jedem selbst überlassen. Es lohnt sich, über die Modalität im Voraus nachzudenken!
ICH schreibe in diesem Threat über meine Herangehensweise. Zudem freue ich mich, wenn IHR den Threat nutzt, um eure Reflektionen, Ziele, Herangehensweisen zu teilen. Wie mir in anderen Threats schien, gibt es im Forum ja einiges Interesse an der Low Information Diet.
ICH
Persönliche Ziele
- Stufenweise Minimierung: Ich habe Mitte 2019 einen Digital Declutter gemacht und im Februar 2020 eine Low Information Diet.(1) Mein Bewusstsein für meinen Informationskonsum hat sich dadurch spürbar erweitert. Mit jeder konzentrierten Attacke auf meinen Medienkonsum ist mein digitales Verhalten besser geworden. Es wird Zeit für den nächsten Schlag.
- Sozialer Vergleich: "Sozialen" Medien erzeugen eine Verwässerung meines Ichs. Der Informationskonsum erstickt meine genuin eigenen Regungen, Leidenschaften und Gedankengänge. Lauwarm mag ich nicht.
- Bedeutung: Das gute Leben ist langweilig. Langeweile ist Bedeutungstraining. Das meine ich folgendermaßen: Bedeutsame Tätigkeiten beinhalten NICHT ständige Stimulation durch Hinweisreize. Ich will mich von dieser permanenten Stimulation so weit wie möglich entwöhnen, um mehr Bedeutung im wahren Leben zu finden (bzw. finden zu können).
- Ruhe: Ich möchte mehr Ruhe in meinem Leben. Mein erster Digital Declutter und die Low Information Diet letztes Jahr standen unter dem Stern meines Willensexperiments. Es ging mir hauptsächlich darum, die Betäubung von der ständigen Erschöpfung zu unterlassen, um mit vollem Bewusstsein durch diese Zeit zu gehen. Mein Willensexperiment habe ich Mitte/Ende 2020 nach rund 3 Jahren abgeschlossen. Nun habe ich mich wieder mehr der Welt zugewandt. Die diesjährige Low Information Diet steht deshalb im Zeichen des Auskostens sinnvoller Tätigkeiten.
Die Methode
Ich werden den Digital Declutter von Cal Newport aus Digital Minimalism durchlaufen.(2,3)
- 31 Tage lang konsumiere ich nur relevante Informationen. Ich entferne alle digitalen Technologien und Internetseiten aus meinem Leben, die nicht notwendig für professionelle Belange sind. Als notwendig erachte ich eine Technologie, deren Abwesenheit einen Schaden verursacht. Technologien, die größtenteils nicht notwendig sind, aber eine kritische Funktion haben, benutze ich unter bestimmten Regeln.
- Die freigewordene Zeit investiere ich in bedeutsame Tätigkeiten (wichtig!).
- Nach den dreißig Tagen und dem Durchlaufen des "Entgiftungsprozesses" entscheide ich auf der Grundlage meiner Werte (und nun nicht mehr durch Suchtverhalten verzerrt), welche Technologien und Internetseiten ich wieder einführe und unter welchen Konsumregeln. Dazu dient folgendes Screening:
a) Unterstützt diese Technologie einen meiner zentralen Werte? b) Ist diese Technologie der beste Weg, diesem Wert zu dienen? c) Wie nutze ich diese Technologie mit dem größten Nutzen und dem geringsten Schaden? -- Cal Newport
Meine Aufforderung: Schließt euch an und macht mit. Nutzt diesen Threat zum Reflektieren, Austauschen und Diskutieren.
Was sind deine Ziele? Wie wirst du vorgehen, um diese Ziele zu erreichen?
Letzte Seite von Discipline Equals Freedom: Field Manual von Jocko Willink (4)
Kommentare
Da bin ich gespannt.
Wow, ich bin sehr gespannt.
Ich habe Ähnliches vor, habe es aber noch nicht so konkret und durchdacht wie du aufbereitet.
@Tobias , @Daily_Grind Danke für eure Kommentare. Worauf seid ihr konkret gespannt?
Konkret heißt das für mich ab Neujahr:
relevante Informationen konsumiere ich im Single-tasking Modus
kein Youtube
kein Browser auf dem Handy!
die freigewordene Zeit investiere ich in Lesen, Nichtstun, Ruhen, Musikhören, Spazieren und mit Freunden spazieren (derzeit pandemiebedingt meine Form sozialen Kontakts)
= keine Informationen "außer" Bücher, berufliche Inhalte, Whatsapp und 1x/Woche Forum. Ihr merkt: Es geht MIR um das Herausschneiden aller "blinkenden" und sozialen Informationen.
Whatsapp und das Forum habe ich mit klaren Regeln belegt. Somit nehme ich mir die Chance, diese Medien reaktiv als Ablenkung zu benutzen. Das genügt in diesem Fall.
Aus den Forumszeiten ergeben sich wöchentliche Updates.
Ich mache mit, danke fürs Starten Johannes.
Aktuelle Situation (Achtung, ausschweifend):
Nachrichten und soziale Netzwerke sind bei mir ziemlich unproblematisch, weil ich im Grunde gar keinen Bock auf den Kram habe.
Aber: Ich bin zwanghaft und wars wahrscheinlich schon immer in Bezug auf vermeintlich sinnvolle Tätigkeiten. Hatte das die Tage bei Iron_Johns Log angesprochen.
Streng genommen habe ich nicht allzu viel zu tun. Was so von mir in der Uni erwartet wird, dürfte im Grunde in 30-40 std/Woche erledigt sein (im letzten Semester sah das schon anders aus, als Corona seinen Tribut gefordert hat). Dazu kommt Sport und ein sonntäglicher Familienbesuch. Viel mehr ist da im Moment nicht bei mir. Freie Zeit endet häufig mit Versinken in irrelevanten Uniaufgaben oder Recherchen am Computer. Letzteres kann sinnvoll sein, ersteres wirkt nur so. Die Motivation dahinter ist der Zwang, sich vorzubereiten und gleichzeitig Spaß zu verweigern. Beides ist sehr tief in mir verankert und wurde mir von klein auf mitgegeben. So schwer ist das Leben aber auch wieder nicht, dass man sich ständig in einer Art geistigem Kriegsszenario befinden müsste.
Ich bin mir dieser Schwäche bewusst, habe sie bisher aber nicht unbedingt als Problem angesehen. Ich funktioniere. Ich bin nicht an den Computer gebunden, sobald etwas augenscheinlich wirklich sinnvoll ist, stürze ich mich viel lieber darauf. Deswegen habe ich es bislang auch ignoriert - sobald ich ein komplexeres, weniger egozentrisches und einsames Leben habe, ist das ohnehin kein Thema mehr.
Trotzdem gilt im Moment: Egal, ob es mal um wenig oder viel Freizeit geht, ich habe nie gelernt, was mit ihr anzufangen. Ein Workaholic bin ich nicht. Eher so ein Krisentyp (der irrsinnigerweise gleichzeitig in dem Glauben lebt, dass die Zukunft schon alles richtet). Hat aber definitiv auch was mit Realitätsflucht zu tun, d.h. mir reicht es im Grunde schon, wenn ich etwas gefunden habe, was ich vor mir selbst als zumindest halbwegs sinnvoll rechtfertigen kann. Im letzten Semester war Planen z.B. so ein Punkt: positiv konnotiert, bis zu einem gewissen Grad notwendig und hilfreich, irgendwann aber einfach nur noch Quatsch. Hineinsteigern in den Fächern ist auch kritisch. Ich studiere Lehramt - ob ich später ein guter Lehrer werde, hat nichts damit zu tun, ob ich zu irgendeinem Spezialseminar irgendwas Spannendes nachlese, was ich nie brauchen werde und Zeit investiere.
Herangehensweise:
Also, alles in allem kein reines High Information-Problem. Trotzdem werde ich mich der hier vorgeschlagenen Herangehensweise annehmen, um meinen geistigen Konsum, das bisherige Medium meines Verhaltens, einzuschränken.
1.) keine irrelevanten Informationen zu konsumieren,
Das wird erstmal schmerzhaft, weil ich auf die Schnelle keinen Ersatz habe. Dafür dürfte es weniger Identifikationsprobleme geben, denn so eine Recherche leite ich z.B. ziemlich bewusst ein. Bei der Uni werde ich Zeitlimits ansetzen. Ansonsten versuche ich eben noch, Unbewusstes auszumachen.
2.) relevante Informationen auf eine angemessene Weise zu konsumieren und
Hier sehe ich (noch) keinen Handlungsbedarf in Bezug auf das, woran ich bei der Low Information Diet im Moment so denke.
3.) die frei gewordene Zeit sinnvoll einzusetzen.
Das wird vermutlich der wesentliche Knackpunkt sein. An der Stelle bin ich noch ziemlich hilflos. Ich lebe allein, ein Mehr an Uni ist kaum sinnvoll und die Freizeit besteht meist aus kleineren zeitlichen Inseln. Ich habe zwar meine Listen mit Abzuarbeitendem und da ist auch definitiv noch was abzuhaken, aber allzu lange wird mich das nicht beschäftigen. Mein Leben ist zu einfach, ich bin zu genügsam und habe zu wenig Probleme.
(Ein loser Gedanke: Ich bin nicht belesen zum Thema Bedeutung, denke aber, dass empfundener Sinn nicht nur die Summe sinnvoller Tätigkeiten ist, sondern dass es eben auch fette Abzüge für als unsinnig Empfundenes gibt. Wenn die Haupttätigkeit ausschließlich darin besteht, anderen zu zeigen, was man so kann und weiß und das auch noch ohne soziale Komponente, dann stößt das einen mit der Nase ständig direkt auf die Sinnproblematik.)
Jedenfalls ist der Plan für das sinnvolle Einsetzen frei gewordener Zeit fürs Erste, zu erkennen, wie die freigewordene Zeit sinnvoll eingesetzt werden könnte.
z. B.
Natürlich interessiert mich das auch von allen anderen Leuten, die hier mitloggen.
@Moritz: Wie läuft's?
Sonst noch jemand beim Low Information Januar dabei? Wobei die bestreffenden Leute hier dann ja wahrscheinlich nicht online sind.
Peterson, J. B. (2018). Compare Yourself to Who You Were Yesterday, Not to Who Someone Else Is Today. In: Twelve Rules for Life. An Antidote to Chaos. Toronto: Penguin Random House.
Jordan Petersons vierte Regel lässt sich aus der Perspektive einer Low Information Diet interpretieren. Da ich das Jahr mit einer Low Information Diet starte (1), scheint es mir ein passender Zeitpunkt zu sein, einige von Petersons Ausführungen aufzugreifen und sie als Argumente für einen restriktiven und disziplinierten Informationskonsum zu beleuchten. Bevor wir uns allerdings dem vorliegenden Kapitel zur Regel Nummer 4 widmen, müssen wir kurz wiederholen, was Peterson über den Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und dem Selbstwert einer Person argumentiert hat.
Der soziale Status einer Person, also ihr Stand in einer sozialen Hierarchie, beeinflusst ihren Selbstwert maßgeblich. Peterson demonstriert das an Hummern.(2) Grob zusammengefasst besagt seine Theorie, dass sich der Status und der Selbstwert einer Person in ihrem Serotoninspiegel widerspiegeln. Personen, die soziale Hierarchien dominieren, sind Träger eines hohen Selbstwertes. @Sascha hat zu den Implikationen dieser Theorie und ihrer Anwendung auf uns moderne Menschen einen spannenden Artikel veröffentlicht, den ich an dieser Stelle bei weiterführendem Interesse empfehlen möchte.(3,4) Für unsere Betrachtung der vierten Petersonschen Regel ist jedoch nur ein grundlegendes Verständnis notwendig.
Die Morderne hat uns steile Dominanzhierarchien beschert. "It was easier for people to be good at something when more of us lived in small, rural communities", leitet Peterson ein und wir verstehen, was er meint. Die Urbanisierung hat unserem Selbstwert nicht gut getan. Es war deutlich leichter, eine Hierarchie zu dominieren, als wir noch in kleinen Gemeinschaften lebten. Da gab es im Dorf nur einen Schmied. Dann war der Schmied automatisch der beste Schmied des Dorfes. Er trug den hohen Selbstwert des Gewinners. Und selbst wenn es zwei Schmiede im Dorf gab, konnte man sich doch leicht vom anderen absetzen. Dann war man eben der nettere Schmied von beiden, oder der bessere, oder wenn schon nicht der bessere, dann war man doch zumindest schneller zur Stelle, oder zuverlässiger, oder besser im Hufeisenschmieden, oder, oder, oder. Und wenn es im Dorf nur 10 Frauen im heiratsfähigen Alter gab, war es für ein junges Fräulein nicht schwer, herauszustechen und einen Mann zu finden. In den Hierarchien der Millionenstadt ist selbst derjenige noch einer unter vielen, der besser als 1000 andere ist. Und mit der Urbanisierung nicht genug. Führen wir den Gedanken weiter zur Globalisierung - und vor allem: zum Internet.
Soziale Medien konfrontieren uns ununterbrochen mit steilen Hierarchien. Sie führen zu einem ständigen ungünstigen sozialen Vergleich. Ungünstig deshalb, weil er auf mehreren Ebenen manipuliert ist. Einmal entscheidet der Postende über die Inhalte seines Posts, d.h. er zeigt selektiert seine beste Seite (wobei wir ihm hier sogar noch Ehrlichkeit unterstellen. Er kann ja auch schlicht faken). Und selbst wenn es nicht selektiert oder gefaket ist, so vergleichen wir uns doch ständig mit den Besten der Welt. Wer von uns folgt nicht den Helden seines Sports oder der emanzipierten Unternehmerin? Auch das ist ungünstig. Es mag zwar unter dem Deckmantel der Inspiration geschehen und es ist sicherlich auch gut, sich Vorbilder zu nehmen und zu schauen, was menschenmöglich auf einem Gebiet ist. Doch gleichzeitig ist es ein Aufwärtsvergleich. Die Hierarchien des Internets ist steiler als El Capitan.
El Capitan (5)
Auch der Algorithmus manipuliert uns, denn er weiß um unsere Schwächen.(6) Er kennt die emotionalen Knöpfe, die gedrückt werden müssen, um unser Engagement zu erzeugen. Welche Posts muss er uns zuspielen? Dies ist kein gesunder sozialer Wettbewerb, denn er findet nicht mit realen Menschen in unserem Umfeld statt, sondern mit Avataren des Internets. Unserer Psyche ist das egal. Sie reagiert auf sozialen Stimuli empfindlich. Und dieser soziale Vergleich findet ständig statt - immer wenn wir uns die nächste Dosis Instagram oder Youtube geben. Grob gesagt: Wir erniedrigen willkürlich unseren Selbstwert, jeden Tag aufs neue.
Dieser ungesunde soziale Vergleich findet laut Peterson nach einem bestimmten Muster ab. Jenes Muster ist eine weitere Form der Manipulation, doch diesmal kommt sie aus uns selbst. Wir neigen zu schwarz/weiß-Denken. Sogar zu schwarz/weiß-Denken in künstlichen Kategorien. Peterson benennt die Vorgehensweise des inneren Kritikers, wenn dieser uns einem ungünstigen Vergleich unterzieht.
1.) "[the inner critic] selects a single, arbitrary domain of comparison"
2.) "it acts as if that domain is the only one that is relevant"
3.) "it contrasts you unfavourably with some truly stellar, within that domain"
optional 4.) "using the unbridgeable gap between you and its target of comparison as evidence for the fundamental unjustice of life. That way your motivation to do anything at all can be most effectively undermined"
Nirgends ist eine solche Form des inneren Vergleichs einfach als im Internet. Lasst uns zwei Beispiele betrachten. Peter spielt seit 8 Jahren Geige. Er schaut Videos von Lindsey Stirling. Es werden ihm weitere Videos von Violinisten empfohlen. Alle deutlich besser als Peter. Da ist auch ein Video von einer 12-Jährigen, die besser Geige spielt, als er es jemals wird. Auch wenn er besser Geige spielen kann als alle seine Freunde fühlt er sich nicht gut genug. Er vergleicht sich mit Lindsey Stirling, aber nur darin, wie gut sie Geige spielt. Weil nur das zählt! Peter überzeugt sich, dass sein Wert sich aus der Hierarchie der Violinisten ableitet. Er hat an der Geige alles gegeben und ist doch vergleichsweise ein Loser. Nach diesem Vergleich fühlt er sich reudig.
Marianne macht Kniebeugen. Sie übt fleißig. 65kg wiegt die Stange schon, das entspricht etwa ihrem Körpergewicht. Nichtmal die Jungs in ihrem Umfeld beugen so viel. Zwecks Inspiration folgt Marianne einigen Powerlifterinnen bei Instagram. Eine Amateurin dort beugt 150kg bei einem Körpergewicht von 59kg.(7) Marianne investiert ihr Herzblut ins Krafttraining, aber scheinbar zahlt es sich nicht aus. Scheinbar zahlt sich nie etwas in ihrem Leben aus. Sie sieht darüber hinweg, dass sie sich erst so fühlt, seitdem sie einen Account bei Instagram hat.
Sich selbst auf die beschrieben Weise in den steilen Dominanzhierarchien der globalisierten Welt zu messen führt in der Regel zu einem niedrigen Selbstwert erstens, und zu Verbitterung ("resentment") zweitens. Beides geht mit zahlreichen negativen Nebenwirkungen einher. "Doch was ist die Alternative?", mögen wir einwenden. Wir haben doch gelernt, der Selbstwert sei über den Status tief in unser neurobiologisches System eingegraben. An dieser Stelle schlägt Peterson zwei Alternativen vor: Erstens, gründe deine eigene Hierarchie, und zweitens, vergleiche dich mit deinem gestrigen Selbst.
Die Begründung einer eigenen Hierarchie basiert auf dem Gedanken, dass Erwachsene nicht zu vergleichen sind. Niemand spielt nur das Spiel um die oberen Plätze einer Hierarchie. Da ist die Karriere, ja, aber da sind auch Freunde und Familie, persönliche Projekte, side hustles, athletische Ziele, und oder künstlerische. Da sind deine ganz persönlichen Stärken, deine ganz persönlichen Schwächen, deine ganz persönliche Vergangenheit. Ab einem gewissen Alter ist ein Vergleich mit anderen schlicht nicht mehr angemessen.
Peter wird sich bewusst, dass er zwar nicht so gut Geige spielt wie Lindsey Stirling, aber als er sich alte Aufnahmen anhört, stellt er fest, dass er sich doch Jahr für Jahr deutlich verbessert hat. Außerdem ist er ein passabler Langstreckenläufer. Nebenbei studiert er Physik und die Noten sind vielversprechend. Marianne arbeitet Vollzeit als Tischlerin. Man sagt ihr nach, dass ihre Vollholzmöbel von alter Qualität sind. Abends nach der Arbeit ist sie manchmal erschöpft, aber sie geht trotzdem ins Gym. Ihre Fortschritte sind nicht schnell, aber stetig. Am Wochenende kümmert sie sich um ihren Neffen.
Daraus folgt: Es bleibt nur, dich mit dir selbst zu vergleichen - und zwar mit deinem vergangenen Selbst. Bist du besser als noch vor einem Jahr? Arbeitest du aktiv daran, dein Leben und deine Situation zu verbessern? Deinen Status zu erhöhen? Welche Spiele spielst du? Was sind deine Ziele? Diese Herangehensweise ist wesentlich cleverer, weil sie nicht in Selbstmitleid und einer verbitterten Lebenseinstellung endet.
Doch wie schaffe ich es, mein Leben zu verbessern? Wie schneide ich beim Vergleich mit dem eigenen vergangen Selbst positiv ab? Dieser Frage widmet Peterson den Rest des Kapitels. Dabei rollt er die Basics auf - er fängt ganz von vorne an. Doch, ich denke, auch fortgeschrittene Lebenswandler können etwas mitnehmen, und wenn es nur ein Reminder ist.
Man kann beginnen, in dem man die eigene Verbitterung (original: resentment) reflektiert. An welchen Stellen schluckt man Wut herunter? Wo fühlt man sich ungerecht behandelt, von Personen des eigenen Umfelds zum Beispiel, oder auch vom Schicksal selbst? Wo wird man gezwungen oder zwingt man sich selbst, Dinge zu tun, die man verabscheut? Wann hasst man sich selbst? Wann hasst man die Welt? Was man dabei herausfindet, mag einem lächerlich erscheinen. Sagen wir, ich bemerke, dass ich mein Schicksal immer dann verfluche, wenn mal etwas nicht so gut läuft, wie ich es mir erhofft habe. Das ist kindisch. Doch Einsicht und darauffolgend Akzeptanz ist der entscheidende erste Schritt der Veränderung. Negiere ich die Ergebnisse meiner Reflexion, kann kein Wachstum stattfinden.
Verbitterung speist sich laut Peterson aus zwei möglichen Quellen: Unreife und Tyrannei. Tyrannei muss dabei nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Tyrann eine andere Person ist. Man kann auch wie ein Tyrann mit sich selbst umgehen. Das ist die Schattenseite der Disziplin und des Gehorsams: innerer Zwang, der nicht gutes bewirkt, sondern Teile deiner Seele abspaltet und dein Selbstvertrauen vermindert. Wer sich selbst einer Tyrannei unterwirft, immer und immer wieder, dessen Selbstvertrauen wird zerbröckeln und der Furcht vor sich selbst weichen. Wer ist schon gerne ständig jemandem ausgeliefert, von dem man Gewalt und Zwang befürchten muss. Das sind oft Personen, die "nicht gut alleine sein" können. Sie fürchten sich - vor sich selbst. Und wagen nicht, aufzustehen und das Wort zu erheben.
Nachdem man sich gegen die eigene Verbitterung gewehrt hat, schaut man, wo man eigentlich steht. Das ist einfacher gesagt als getan. Es verlangt Mut. Denn beim Prozess der Selbstreflexion lernt man sich kennen - mitsam allen persönlichen Schwächen, dunklen Gelüsten und Widersprüchen. Und wenn man von Null anfängt, mögen das eine ganze Menge sein. Auch die Stärken versucht man kennenzulernen, die Persönlichkeit. Doch wir haben einen negative bias, und uns werden Dinge an uns auffallen, und Verhältnisse in unserem Leben, die uns nicht gefallen. Dort setzen wir an.
Wir versuchen etwas zu finden, das wir in Ordnung bringen wollen, das wir in Ordnung bringen können, und das wir in Ordnung bringen würden. Dabei zielen wir auf etwas ab, das uns etwas bedeutet. Es ist wichtig, dass wir unserem Streben eine Richtung geben, die uns wertvoll erscheint. "You aim at what you value", schreib Peterson. Und dann, bescheiden, setzen wir ein kleines Ziel. Klein genug, für den Anfang, erreichbar. Wie finden wir solche kleinen ungeordneten Verhältnisse in unserem Leben?
Durchläuft man den hier beschriebenen Prozess setzt man Ziele. Wenn das Ziel erreicht ist, dann gilt es, sich selbst fair dafür zu belohnen. Man solle sich vorher fragen, welche Belohnung einen selbst ausreichend motivieren würde, etwas zu tun. Ganz ehrlich, ganz direkt. Und man solle sich diese Belohnung auf jeden Fall danach zugestehen, komme was wolle. Andernfalls erschüttere das das zarte Selbstvertrauen. Peterson beschreibt diesen inneren Monolog als negotiation - Verhandlung.
Fassen wir also zusammen: Man erforscht die eigene Natur; man setzt Ziele, um das Leben besser zu machen, das Leid zu minimieren; man tritt mit sich selbst in produktiven Kontakt, man verhandelt, statt zu befehlen; man unterwirft sich einer freiwilligen Selbstdisziplin, ohne sich dabei wie ein Sklave zu behandeln; man vergleicht sich nicht mit den Erfolgen anderer Menschen, sondern mit dem eigenen vergangenen Selbst. Schritt für Schritt, nach und nach, verbessert man seine Situation. Wer sich so verhält, dem stünden die Götter bei, sagt Peterson. Man beginnt langfristig zu denken: Man verhält sich gut und diszipliniert, weil es langfristig weniger Leiden bedeutet - nicht weil man "muss" oder "sollte".
An dieser Stelle schlagen wir den Bogen zurück zur Low Information Diet. Um den obigen Prozess zu durchlaufen, braucht man Zeiten der Reflexion. In sich hinein horchen. Sich selbst erleben. Die ureigene Stimme braucht Stille, um gehört zu werden. Dieser Prozess erfordert Aufmerksamkeit. Soziale Medien und Unterhaltung und zügelloser Informationskonsum machen die erforderliche Stille unmöglich und ziehen die Aufmerksamkeit ab.
Wie soll ich mich selbst hören, in all dem Lärm?
Wie soll ich mich wertvoll finden, wenn ich mich ständig erniedrige?
Zuerst mag es keinen so großen Unterschied machen. Dann bleiben eben zwei kleine Dinge ungeordnet, die einen stören. Man geht halt mal dem einem Konflikt aus dem Weg. Dann geht man heute eben nicht zum Training. Man verschiebt das Geige üben auf morgen. Dort liegt der Denkfehler! Genau diese kleinen Schritte, genau sie machen den Unterschied aus! Alles, worüber wir nachgedacht haben, fußt auf einem kontinuierlichem Streben danach, eine bessere Version seiner selbst zu werden und seine Schatten hinter sich zu lassen. Wer ständig aufs Smartphone schielt ist blind. Er sieht den Schatten nicht, wenn dieser schon den Dolch an seine eigene Kehle gesetzt hat.
Also: Ja, diese kleinen Schritte machen einen Unterschied! Sie sind nicht sexy, du kannst mit ihnen nicht auf Instagram flexen! Man nimmt die Fortschritte von Tag zu Tag kaum wahr. Doch kleine Schritte akkumulieren. Lebt man nach der Philosophie Petersons, ist man in drei Jahren ein anderer Mensch.
Marianne beginnt mit 40kg inklusive der Langhantel. Sie macht drei Einheiten pro Woche. Sie packt drei Jahre lang jeden Monat 5kg auf ihre Beuge. Viel erscheint das nicht: Jede 12. Einheit eine Steigerung von 5kg. In drei Jahren beugt sie 220kg. Ok, nein, tut sie nicht. Aber die Rechnung verdeutlicht das Potential der kleinen Schritte. @Sascha hat mal sinngemäß gesagt: Man überschätzt für gewöhnlich, was man an einem Tag oder in einer Woche schaffen kann; doch man unterschätzt, was man in einem Jahr schaffen kann. Es gibt keine Abkürzungen, nur den langen Weg der tausend kleinen Schritte. Finde dich damit ab.
Und leg das Smartphone weg.
[project log] Johannes' Low Information Diet Januar 2021 ↩︎
Peterson, J. B. (2018). Twelve Rules for Live. An Antidote to Chaos. Toronto: Random House Canada. ↩︎
Fast, S. (2018). Selbstwert II. Serotonin und Status. Abgerufen unter: me-improved.de/selbstwert-ii-serotonin-und-status. ↩︎
meine Lesennotizen zu obigem ↩︎
Bildquelle: yosemite.com/what-to-do/el-capitan/ ↩︎
Mehr dazu hier in den Lesenotizen zu Jason Laniers Ten arguments for deleting your social media accounts right now. ↩︎
Ich beziehe mich auf Sarah Jo, die ich einfach willkürlich gegooglet habe. Es gibt bestimmt noch krassere Beispiele. instagram.com/p/CEP0cJnhPKj/ ↩︎
Reflexion 1.1. bis 8.1.21
Persönliche Ziele
- Stufenweise Minimierung: Der Erfolg dieses Ziels lässt sich erst in einigen Monaten evaluieren.
- Sozialer Vergleich/Verwässerung des Ichs: Insgesamt hat sich die erste Woche positiv auf dieses Ziel ausgewirkt. Nach etwa 2-3 Tagen wurden Effekte spürbar. Das deckt sich mit meinen bisherigen Erfahrungen. Ich bin bodenständiger. Weniger Lärm und mehr ich heißt aber auch, Unsicherheit, Trauer, usw. intensiver zu spüren. Aber die positiven Effekte dieser Emotionen lassen sich nur nutzen, wenn ich sie spüre. Nur wenn ich einer Unsicherheit gewahr werde, kann daraus Sicherheit erwachsen. Siehe dazu auch meine Betrachtung von Jordan Petersons Compare Yourself to Who You Were Yesterday, Not to Who Someone Else Is Today.
- Bedeutung: Dieser Prozess ist wesentlich langsamer und mühseliger als der obige. Das ist ein langfristiges Projekt, das ich auch nicht seit eben erst verfolge. Jedenfalls kann ich hier nach einer Woche keine Erfolge berichten. Manchmal zweifle ich, ob ein Reset meines in der Vergangenheit überstimulierten Geists noch möglich ist. Zweifellos ist es eine Mission, die Jahre über diesen Log hinausgeht.
- Ruhe: Die Feierabende fühlen sich endlos an. Ich liege rum und lese, teilweise drei Stunden lang. Nichtstun fällt mir nach wie vor ungeheuer schwer. Daran beiße ich. Letzte Woche bin ich an vier Tagen mit Freunden spaziert und habe auch Spaziergänge initiert, wo ich die Leute lange nicht gesehen hatte. Das war gut. Habe auch alte CDs von Rise Against, Billy Talent und Linkin Park ausgekramt und einige gehört.
relevante Informationen konsumiere ich im Single-tasking Modus ✔
kein Youtube ✔
Ansonsten bin ich mir über meine Ziele und Bestrebungen fürs kommende Jahr klar geworden.
@Tobias , @Johannes habt ihr Erfahrungen mit Programmen die andere Programme auf dem PC blockieren gesammelt?
Z.B. will ich das Programm Paint nicht in meiner Fokuszeit benutzen und für diese Zeit blockieren.
Vorweg:
Ich hatte mir direkt zum neuen Jahr so einen Youtube-Blocker geholt, wie ihn Tobias mal erwähnt hatte, also einen, der eben die Vorschläge auf der rechten Seite und auch die Kommentare blockiert. Sonst halte ich in meinem Fall nicht viel von jeglichen Blockern, aber der funktioniert echt gut. Vor allem deshalb, weil ich insbesondere bzgl. der Kommentare zwar schon mal nach unten scrolle, das aber eigentlich überhaupt nicht will und ich habe z.B. auch noch nie ein Video wegen seiner Kommentare angeklickt. Insofern habe ich keinen Grund, den Blocker austricksen zu wollen.
Analyse:
Habe mal meine problematischen Glaubenssätze ausgemacht:
Das mit dem Spaß habe ich schon länger im Blick und die Vorstellung dahinter konnte ich auch weitgehend auflösen, mache aber hier und da noch immer Stellen aus, an denen ich unbewusst aus Gewöhnung noch so vorgehe. Für die ersten zwei Punkte geht es also um Reflexion, beim letzten um reine Aufmerksamkeit.
Dazu kommen eben noch klassische Psycho-Fallen:
Dahinter steht der wohl letzte Punkt, um den es sich zu kümmern gilt:
Dass ich was mit meiner Zeit anzufangen wissen sollte.
Weiteres Vorgehen:
Ab heute führe ich ein Low-Information-Tagebuch und sporadisch stelle ich Interessantes dann hier ins Forum. Seit Mitte letzter Woche habe ich eine Freizeitbeschäftigung gefunden, die fürs Erste jegliche Langeweile vertreiben dürfte: Bin auf Nietzsches Zarathustra gestoßen. Passt gut zur Thematik, hatte ich mir schon länger vorgenommen und ist in meinem Fall sehr sinnvoll. Wie es danach weitergeht, muss ich noch sehen.
@Johannes Hast du das mit Schwarz-Weiß-Modus nicht durchgezogen oder kamst du noch nicht dazu, das einzurichten?
Hallo Mannschaft, @Tobias und @Johannes haben mich ebenfalls inspiriert, das neue Jahr mit einer 'Low Information Diet' zu starten. Fazit bislang: Es ist hart wie die Sau.
Unglaublich wie der Mechanismus, mal kurz hier und da was zu googeln etc., in mein unbewusstes Verhalten übergegangen ist.
Meine Waffe der Wahl ist die Software FOCUS https://heyfocus.com (macOS only, sorry). Kostet ein bisschen ist es aber wert.
Bestimmte Webseiten blockieren oder erlauben , bestimme Software blockieren: geht alles.
Hab mich öfters dabei ertappt wie ich in den Einstellungen dann rumpfusche, um mir ein wenig 'surfen' zu erlauben innerhalb meiner blockierten Zeitspanne. Daher benutze ich seit heute den ebenfalls vorhandenen 'Hardcore mode', damit ich mich da nicht mehr bescheissen kann.
Gutes Gelingen Euch allen, da draussen ist viel zu viel Bullshit. ;-)
(lese gerade "Bullshit-Resistenz" von Philipp Hübl)
Nein, ich habe keine Erfahrungen mit solchen Programmen gemacht.
Das hab ich vor so ziemlich genau einem Jahr auch gelesen und verzettelt.
Ich finde, die Kommentare sind neben Bullshit und Desinformation so ziemlich mit das Schlimmste, was einem in Online-Medien begegnet. Hier zeigen sich das Internet und seine Nutzer in ihrer schlimmsten Form. Deshalb denke ich auch, dass es das Beste für die allermeisten Menschen wäre, Twitter zu meiden (vielleicht abgesehen von denen, die damit arbeiten): Denn Twitter ist im Prinzip nichts anderes als ein riesiger, unendlicher Kommentarbereich.
Nein, ich habe auch keine Erfahrungen mit solchen Programmen. In meinem Fall sind die nicht sinnvoll. Kann mir aber vorstellen, dass sie anderen nützlich sein können.
@saschaz , @Moritz Cool, dass ihr weiterhin dabei seid. Freue mich, eure Reflexionen zu lesen.
Das habe ich damals schon bei @Tobias beäugt. Bisher habe ich es noch nicht gelesen. Als ich es in der Buchhandlung meiner Wahl in der Hand hatte, schien es mir etwas schmal zu sein. Den Neuheitswert habe ich auch bezweifelt. Trotzdem ist es weiterhin ein Buch, das mich interessiert. Schreib gerne mal ne kleine Anmerkung dazu hier rein.
Einfach nicht durchgezogen. Auch voll grundlos nicht durchgezogen. Das muss man ja nichtmal "einrichten". Einfach Strg + [Windowssymbol] + C. 1 Sekunde - fertig. Beim Smartphone sind es drei Klicks. Danke für den Nudge - ich habs jetzt wieder drin. An sich ist das einer der leichtesten Mittel, sich das Surfen zu verderben. Die Attention Economy arbeitet massiv mit Farben.
Geht mir auch so.
Reflexion 9.1. bis 15.1.21
Persönliche Ziele
- Stufenweise Minimierung: Der Erfolg dieses Ziels lässt sich erst in einigen Monaten evaluieren.
- Sozialer Vergleich/Verwässerung des Ichs: Die Low Information Diet wirkt. Weniger fadenscheinige interne Kompromisse. Was will ich? Wie hole ich mir, was ich will? Die Antworten werden deutlich.
- Bedeutung: Dieser Prozess ist wesentlich langsamer und mühseliger als der obige. Das ist ein langfristiges Projekt, das ich auch nicht seit eben erst verfolge. Jedenfalls kann ich hier nach zwei Woche wenig Erfolge berichten. Zweifellos ist es eine Mission, die Jahre über diesen Log hinausgeht. Dennoch habe ich die letzte Woche eine kleine Veränderung in die richtige Richtung zu berichten. Bei bedeutsamen Ereignisse der letzten Woche war ich stärker präsent. Ob es auch an der Low Information Diet liegt kann ich nicht sagen.
- Ruhe: Unerwarteter Weise habe ich mehr Ruhe gehabt als sonst. Im Zusammenhang mit einer Reflexion zur Verwässerung des Ichs habe ich eine Menge Sachen von der ToDo-Liste gestrichen, die nicht wirklich notwendig waren, sondern bei denen ich das Gefühl hatte, ich sollte/müsste sie tun. Stattdessen habe ich gelesen oder Musik gehört oder war spazieren. Oder ich habe im Kerzenschein rumgelegen.
relevante Informationen konsumiere ich im Single-tasking Modus ✔
kein Youtube ✔
War eine gute Woche. Läuft besser als erwartet.
Bin dabei.
Ziele
klarer Kopf, um mein Leben gebacken zu bekommen + weniger Stress
Stand
Digitale Medien sind momentan kaum noch ein Problem bei mir. Aber ich reflektiere immernoch zu viel, zu unfokussiert und zur falschen Zeit, wenn ich eigentlich Dinge zu tun habe. Außerdem mache ich zu selten Pause, was direkt damit zu tun hat.
Maßnahmen
- weniger Reflexion, wenn dann fokussiert über EINE Sache nachdenken, die gerade wichtig scheint
- öfters langeweilen
- verzichten auf Internet, Ausnahmen für geplante Projekte/ Studium/ Musik
Ich hab mir mit Absicht keine konkreten Regeln gesetzt, weil das bei der Mediensucht auch ohne konkrete Regeln gut funktioniert hat.
Reflexion 16.1. bis 22.1.21
Persönliche Ziele
- Stufenweise Minimierung: Der Erfolg dieses Ziels lässt sich erst in einigen Monaten evaluieren. Ich hoffe auf langfristig weniger und gezielteren Konsum auf Instagram und Youtube. Diese kristallisieren sich langsam als die beiden letzten Bastionen meines digitalen Konsums heraus.
- Sozialer Vergleich/Verwässerung des Ichs: Läuft weiterhin.
- Bedeutung: Dieser Prozess ist wesentlich langsamer und mühseliger als der obige. Das ist ein langfristiges Projekt, das ich auch nicht seit eben erst verfolge. Jedenfalls kann ich hier nach drei Wochen wenig Erfolge berichten. Zweifellos ist es eine Mission, die Jahre über diesen Log hinausgeht. Jedem Moment will Bedeutung eingehaucht werden. Mal gelingt mir das besser, mal schlechter. Insgesamt geht es mit winzigen Schritten voran.
- Ruhe: Ich hatte etwas weniger Ruhe als letzte Woche. Ich hatte wieder diesen unbändigen Tatendrang, der charakteristisch für meine Person ist. Es wäre schön, wenn ich den zügeln bzw. bewusster kanalisieren könnte.
Insgesamt lese ich viel oder gehe Spazieren. Zu selten aber tue ich nichts. Ich verordne mir für die nächste Woche eine halbe Stunde Nichtstun vor dem Schlafen.
relevante Informationen konsumiere ich im Single-tasking Modus ✘ (Läuft im Großen und Ganzen, aber ich bin ja Idealist und erwarte da von mir noch etwas mehr Disziplin als ich letzte Woche gezeigt habe)
kein Youtube ✔
Reflexion 23.1. bis 30.1.21
Persönliche Ziele
- Stufenweise Minimierung: Der Erfolg dieses Ziels lässt sich erst in einigen Monaten evaluieren. Ich hoffe auf langfristig weniger und gezielteren Konsum auf Instagram und Youtube. Diese beiden sind meine Störquellen.
- Sozialer Vergleich/Verwässerung des Ichs: Läuft weiterhin.
- Bedeutung: Immer mehr sehe ich die Langeweile als meine primäre Sinntechnik im Alltag an.
- Ruhe: Leicht im Übertraining. Also steht ein Deload an. Fällt mir schwer, aber Discipline = Freedom.
relevante Informationen konsumiere ich im Single-tasking Modus ✔
kein Youtube ✔
Mit jedem Ausrutscher lerne ich mich und meine Verhaltensmuster besser kennen. Genau dafür war die Low Information Diet unter anderem da. Also freue ich mich, dass ich mich wenigstens noch einmal nicht an die Regeln gehalten habe. An dem nachlässigen Tag, auf dem ich auf Instagram war, konnte ich meine Reaktionen ganz gut beobachten. In so niedriger Dosis ist das nichts schlimmes, aber auch nichts, was ich in meinem Leben will. Meine Toleranz, mich Dinge auszusetzen, die mir nicht gut tun, ist sehr gering.
@Dominique @Moritz @saschaz
Ein Monat Low Information Diet. Danke für's Mitmachen. Was ist euer Fazit? Was habt ihr gelernt?
Abschlussreflexion
Folgende Ziele habe ich mir gesetzt:
Evaluation d. Ziele
Übeltäter
Youtube + Instagram
Es geht mir hauptsächlich darum, den reaktiven Konsum einzuschränken. Einen geregelten, bewussten und gezielten Konsum in moderater Dosis kann ich handlen. Was das Internet zu bieten hat, ist nicht prinzipiell und ausschließlich scheiße, sondern die Art und Weise des Zugangs ist scheiße.
https://forum.me-improved.de/discussion/331/project-log-johannes-low-information-diet-januar-2021 ;↩︎ ↩︎
ebd. und in Newport, C. C. (2019). Digital Minimalism. Choosing a Focused Life in a Noisy World. New York: Portfolio/Penguin ↩︎
Nachklang: Ich benutze jetzt Freedom
Der Alkoholiker hat am besten keinen Gin im Regal. Jemand, der abnehmen will, kauft die Süßigkeiten gar nicht erst ein. Wer kein Smartphone benutzen möchte, hat keines.
Mit dem Internet ist das so eine Sache. Natürlich kann ich klare Regeln festlegen: Kein Youtube unter der Woche. Aber ins Internet muss ich doch, den Rechner stelle ich zur Arbeit an. Das ist vielleicht, als würde der Alkoholiker sich morgens einen Gin einschenken, den er den ganzen Tag nicht trinken darf. Der Übergewichtige kauft die Süßigkeiten nicht nur, er öffnet die Tüte sogar.
Die Süßigkeiten wären für mich persönlich kein Problem - ich könnte sie kaufen, sie öffnen, und würde sie doch nicht essen. Das ist nichts, wofür ich eine Vulnerabilität habe. Ich habe aber auch nie übermäßig Süßigkeiten gegessen und war nie fett. Training und Ernährung laufen seit Jahren ohne Probleme. Mit dem Internet ist das anders.
Natürlich ist Eskapismus eine Flucht vor der Realität - und man kann argumentieren, dass erst ein sinnvoll erlebtes Leben (eine Realität, vor der man nicht fliehen muss) das wahre Gegenmittel zur Betäubung ist. Doch das gute und sinnvolle Leben ist oft hart, langweilig und frustrierend. Insofern ist selbst das Leben, das ich wirklich leben will, manchmal blass und unscheinbar gegenüber den raffinierten Reizen des Internets.
Betäubung soll keine unmittelbare Option für mich sein. Das gilt für den Konsum von Informationen, von Drogen, Süßigkeiten, Gegenständen oder sonstigem. So wie es das einfache Leben des Zeltens mit minimalem Gepäck einen von der ständigen Möglichkeit befreit, alles zu essen wonach einem der Sinn steht, habe ich beschlossen, mir die Möglichkeit zu nehmen, zu bestimmten Zeiten auf Internetunterhaltung zu zugreifen.
Ich habe mir Freedom gekauft. Damit blockiere ich alle Seiten, auf denen ich mich gewöhnlich ablenke. Am Wochenende kann ich beispielsweise von 13:00 bis 16:00 auf Youtube zugreifen. Unter der Woche kann ich auf keine Website zugreifen, die nicht im Kontext meiner Arbeit steht.
@TylerDurden Oben habe ich geschrieben, dass Block-Programme für meine Low Information Diet nicht sinnvoll sind. Dabei bleibe ich. Durch das Blockieren hätte ich verhindert, mehr über mich und meine Muster zu lernen. Doch im Anschluss meiner LID im Januar denke ich, ich weiß erstmal genug. Jetzt nehme ich mir für eine Weile im Alltag durch Freedom die Möglichkeit zur Ablenkung.
So sieht eine blockierte Seite aus (Screenshot)
Beobachtung und Überlegung, wenn ich mich wenig betäube, neben den Dingen die Johannes schon öfters beschrieben hat
Melde mich mal wieder hier.
Aus dem Low Information-Tagebuch ist nichts geworden, einfach nichts taggenau zu berichten. Bin trotzdem ganz zufrieden mit dem aktuellen Stand:
Ich habe meine Zeitplanung überarbeitet. Es gibt nur noch wenig Leerstellen, allerdings eingeplante Freizeit. Ich habe außerdem einen Block am Tag, der nur für Privatkram reserviert ist, z.B. was übers Referendariat lesen, was bei mir noch Jahre hin ist, was mich aber ansonsten nicht in Ruhe lassen würde. Die tägliche Arbeitsdauer ist kurzgehalten - Vorzug des Studenten in der vorlesungsfreien Zeit, wie das demnächst weitergeht, muss ich noch sehen. Versuche hier in Zukunft rücksichtsvoller mit mir umzugehen. Der Plan hat Puffer, Ausnahmen sind drin. Aber: Ich komme nicht in Versuchung, z.B. unsinnige Recherchen für irgendein Nebenfach zu machen.
Stattdessen habe ich bspw. einige fest eingeplante Haushaltsblöcke. Wenn der Abwasch gemacht ist, wird vllt. gesaugt. Oder die Treppe gefegt. Oder die Kühlschrankfächer gereinigt. Kam bisher nicht vor, dass wirklich alles schon gemacht war, irgendwas geht immer. Auf diese Weise mache ich mehr, als ich bisher für nötig gehalten habe, nutze das aber als aktive Entspannung zwischen den Arbeitsphasen und so machts doppelt Sinn. Außerdem gibt es einen täglichen Spaziergang und einen Meditationsblock.
Mein Blocker auf Youtube (Kommentare, Vorschläge, Autoplay...) ist nach wie vor in Betrieb, absoluter Selbstläufer. Ich merke auch, dass mich z.B. die Kommentare oder eben auch die Vorschläge auf der Startseite eigentlich gar nicht jucken, aber trotzdem muss ich eben hingucken - bleibt mir erspart, echt empfehlenswert.
Alles in allem habe ich schon so ein Gefühl der Entschleunigung. Problem ist nur, dass gerade kein Druck von außen wirkt, Feuerprobe steht also noch aus.