Hochsensibilität - HSP

Hat jemand von euch diesen Begriff schon gehört? Sich vielleicht sogar Näher mit dem Thema befasst?
Ich möchte gern erst einmal ganz offen fragen und Input sammeln.

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Kommentare

  • Ja, ich habe schon einiges darüber gelesen. Auf mich ist die Beschreibung der HSP sehr zutreffend, wobei nicht wissenschaftlich abgeklärt ist, dass es das in der Form tatsächlich gibt. Mein Arzt sagte mal dazu, dass er die Erscheinungen auf eine schnellere Reizübertragung zwischen den Nerven zurückführt.
    Ich würde es tatsächlich nicht als etwas unnormales oder krankes ansehen, sondern schlichtweg als persönliche Eigenschaft, mit der man umgehen und von der man profitieren kann.

    Was genau interessiert dich denn an dem Thema?

  • @Jost schrieb: Hat jemand von euch diesen Begriff schon gehört?

    Ja. Ich denke, er beschreibt ein reales Phänomen.

    @Jost schrieb: Sich vielleicht sogar Näher mit dem Thema befasst?

    Ja.

    Die Frage ist: Was genau interessiert dich?

  • @HB312 schrieb:
    Ja, ich habe schon einiges darüber gelesen. Auf mich ist die Beschreibung der HSP sehr zutreffend, wobei nicht wissenschaftlich abgeklärt ist, dass es das in der Form tatsächlich gibt. Mein Arzt sagte mal dazu, dass er die Erscheinungen auf eine schnellere Reizübertragung zwischen den Nerven zurückführt.
    Ich würde es tatsächlich nicht als etwas unnormales oder krankes ansehen, sondern schlichtweg als persönliche Eigenschaft, mit der man umgehen und von der man profitieren kann.

    Was genau interessiert dich denn an dem Thema?

    Ich wollte erst einmal nur ein kleines Meinungsbild bekommen, ohne schon eine Richtung vorzugeben.
    Ich habe mich damit auch schon näher befasst und halte es für eine gute Art und Weise, einige Phänomene zu beschreiben, erst einmal unabhängig von wissenschaftlicher Evidenz, die ja nicht für alles ausschlaggebend ist.

    Hast du darüber Bücher gelesen? Hast du Ressourcen online, die du teilen kannst? Wie äußert es sich bei dir?

  • @Johannes schrieb:

    @Jost schrieb: Hat jemand von euch diesen Begriff schon gehört?

    Ja. Ich denke, er beschreibt ein reales Phänomen.

    @Jost schrieb: Sich vielleicht sogar Näher mit dem Thema befasst?

    Ja.

    Die Frage ist: Was genau interessiert dich?

    Würdest du dich selbst auch als hochsensibel beschreiben, und wenn ja, inwiefern?

  • Ich selbst würde mich nicht als HSP beschreiben. Folgendes Buch fand ich hilfreich bei der Auseinandersetzung:

  • @Johannes schrieb:
    Ich selbst würde mich nicht als HSP beschreiben. Folgendes Buch fand ich hilfreich bei der Auseinandersetzung:


    Danke schon einmal dafür! Leider sind alle Exemplare in den Münchner Bibliotheken gerade verliehen.
    Soweit ich weiß, ist eine der Grundannahmen ja, dass HSP Umweltreize objektiv intensiver verarbeiten. Sind dir diesbezüglich seriöse Studien bekannt bzw werden sie im Buch genannt?

  • @Jost schrieb:

    @HB312 schrieb:
    Ja, ich habe schon einiges darüber gelesen. Auf mich ist die Beschreibung der HSP sehr zutreffend, wobei nicht wissenschaftlich abgeklärt ist, dass es das in der Form tatsächlich gibt. Mein Arzt sagte mal dazu, dass er die Erscheinungen auf eine schnellere Reizübertragung zwischen den Nerven zurückführt.
    Ich würde es tatsächlich nicht als etwas unnormales oder krankes ansehen, sondern schlichtweg als persönliche Eigenschaft, mit der man umgehen und von der man profitieren kann.

    Was genau interessiert dich denn an dem Thema?

    Ich wollte erst einmal nur ein kleines Meinungsbild bekommen, ohne schon eine Richtung vorzugeben.
    Ich habe mich damit auch schon näher befasst und halte es für eine gute Art und Weise, einige Phänomene zu beschreiben, erst einmal unabhängig von wissenschaftlicher Evidenz, die ja nicht für alles ausschlaggebend ist.

    Hast du darüber Bücher gelesen? Hast du Ressourcen online, die du teilen kannst? Wie äußert es sich bei dir?

    Ich habe mich hauptsächlich auf Seiten im Internet informiert, die ich aber leider nicht gespeichert habe. Daher keine Quellen von mir, fand den persönlichen Austausch mit einer Gleichgesinnten aber viel wertvoller.

    Bei mir äußert es sich durch sehr intensive Umwelteindrücke und eine generell erhöhte Wachsamkeit. Oder anders: ich nehme mehr und intensiver wahr als viele andere, was manchmal gut und manchmal ziemlich überfordernd sein kann.

    Insbesondere wenn es Stimmungen / Gefühle von Menschen betrifft. Das geht dann auch manchmal so weit, dass ich aus einer eigentlich positiven Situation flüchten möchte, weil es einfach zu viel wird.
    Eins von vielen Beispielen sind Junggesellenabschiede, bei denen die Stimmung so richtig gut ist. Das kann ich manchmal kaum ertragen, auch wenn ich die Leute mag und selbst in guter Grundverfassung bin.

  • Ich bin zufällig auch über das Thema gestolpert und frage mich, ob das eventuell auch auf mich zutrifft.

    Ich nehme Stimmungen anderer Menschen schnell und intensiv wahr. Manchmal bemerke ich etwas vor dem Betreffenden selbst. Und ich lasse mich davon auch sehr beeinflussen. Kurz: Fremde Schicksale berühren mich sehr. Das ist teilweise schon sehr belastend. Und problematisch ist, daß ich es aber kaum abstellen kann.. .

    Keine Ahnung, ob das eine Ausprägung von HSP ist, oder nicht..

  • Ich frage mich, ob das unbedingt mit Hochsensibilität zu tun hat, wenn man seine Umwelt stark wahrnimmt @HB312
    Denn ich habe auch das gleiche Problem. Ich bin aber zum Ergebnis gekommen, dass das mit meiner Erziehung zu tun hat als alles andere.
    Ich weiß nicht wie das bei dir war, aber ich war schon recht früh verschlossen und habe kaum geredet.
    Das war meiner jetzigen Erkenntnis nach eine Strategie, um meine Kindheit durchzustehen, weil mein Vater zu hart war und zu aggressiv. Er konnte sich selber oft nicht kontrollieren und meinte, dass er alles durch rohe Aggression erreichen kann. Durch das verschließen habe ich mich selbst geschützt.
    Der hohe Grad sich seiner selbst bewusst zu sein ist eine Reaktion. Das kenne ich gut. Da fällt es einem sehr schwer auch einfach los zu lassen, wenn man unter Leuten ist, die einen vielleicht beschämen könnten oder verletzen könnten. Das ist ein Schutzmechanismus und führt oft zu flght or flight mode. Diese hohe Bewusstheit ist einfach ein Überbleibsel aus der Kindheit die dazu diente potenzielle Gefahr zu erkennen. Das Problem ist aber, dass ich nun erwachsen bin, aber mein Unterbewusstsein hat eben diese Überreste noch. Bis jetzt habe ich kein Weg gefunden, dass das ein für alle mal verschwindet.

  • bearbeitet April 2020

    Ich habe vor, zum Thema und verwandten Themenfeldern zu bloggen. Gibt es konkrete (oder auch nicht ganz konkrete) Fragestellungen oder Themen, zu denen ihr auf einem solchen Blog gern lesen würdet? Gern tausche ich mich mit euch auch per persönlicher Nachricht aus.
    Schönen Sonntag!

  • bearbeitet April 2020

    Eine Fragestellung könnte sein, ob sensiblere Leute mehr in Verbindung, oder im Einklang mit der Natur sind und was Hochsensibilität mit Spiritualität zu tun hat (im Bezug auf Verbindung mit dem größeren Ganzen).
    Vielleicht auch Etwas in Richtung Intuition, also vor dem Intellekt stattfindende Vorgänge, denen sich Hochsensible mehr bewusst sind (oder besser gesagt Ahnung haben) als andere. Denn ich denke, dass Hochsensiblere weniger desensibilisiert sind als die meisten Menschen, durch die rein materialistischen Kultur, in der wir leben. Sie sind mit ihrem Unterbewusstsein und anderen Vorgängen mehr im Kontakt.
    Eine andere Fragestellung könnte sein, ob Naturvölker (Schamanen, Ureinwohner..) sensibler waren als wir und wie dies sich ausgedrückt hat (es heißt ja, dass Naturvölker die Fähigkeit haben, Unterbewusst miteinander zu kommunizieren, bei mehreren Kilometern Distanz).

  • Eine Grundlegende Frage wäre was eine HSP auslösen oder verstärken kann.

  • @Yasin @TylerDurden Danke für den Input, habe ich notiert!

  • Bevor mein geplanter Blog überhaupt existiert, teile ich hier mit euch einen ersten Draft eines Artikels und freue mich über Diskussion!


    Wie sind Hochsensibilität und Hochintelligenz verbunden?

    Hochsensibilität – was ist das eigentlich?
    Der Begriff der Hochsensibilität findet sich thematisch in den letzten Jahren vermehrt in Buchpublikationen, Blogs, Youtube und anderen Medien. Es wird davon ausgegangen, dass eine hochsensible Person (HSP) oder ein hochsensibler Mensch (HSM) im Vergleich zur gesellschaftlichen Norm überdurchschnittlich sensibel ist. Was heißt aber "sensibel"? So vage diese grundsätzliche Beschreibung ist, so unterschiedlich sind auch Selbstdarstellungen und Selbstbeschreibungen von HSP, die medial verfügbar sind. Darum ist es hilfreich, sich die Begriffsdefinition von Hochsensibilität direkt an der Quelle anzuschauen.
    Elaine Aron, US-amerikanische Psychologin und Psychotherapeutin, nennt vier Kategorien von Bewertungskriterien, die allesamt vorhanden sein müssen, damit man von einer HSP sprechen kann: 1. Gründliche Informationsverarbeitung, 2. Übererregbarkeit, 3. Emotionale Intensität, 4. Sensorische Empfindlichkeit. Hier finden sich also immerhin vier diskrete Kriterien, die allesamt vorhanden sein müssen, um tatsächlich von einer HSP reden zu können. Diese Kriterien sind für sich wiederum jedoch eher auf einer qualitativen Ebene zu betrachten. Das heißt, in der detaillierten Betrachtung der Selbstbeschreibung einer Person ist es nicht ohne weiteres möglich, durch das Erreichen eines bestimmten Punktes auf einer Skala zu sagen „dieses Individuum ist eine HSP“ (oder eben nicht). Aron hat einen Fragebogen entworfen, der die erste Einschätzung, ob jemand HSP sein könnte, erleichtern soll. Aber auch hier, eben so wenig wie bei anderen Fragebögen, die zur Diagnose von Hochsensibilität entworfen wurden (vgl. Parlow) gibt es keine eindeutige Antwort.
    Wichtig ist es mir an dieser Stelle, darauf hinzuweisen, dass Hochsensibilität keine Pathologie, sondern ein Wesenszug ist, der erst einmal neutral zu betrachten ist. Wie ein Individuum diesen Wesenszug empfindet, steht auf einem anderen Blatt, weshalb viele Erfahrungsberichte zum Thema sich auch zu einem großen Teil auf negativ empfundene Faktoren des Phänomens konzentrieren.

    Betrachten wir nun den Sachverhalt der Hochintelligenz, fällt auf, dass einige Tücken, die uns bei der Diagnose von Hochsensibilität unterkommen, wegfallen. Es gibt eine klare Definition von Hochintelligenz (IQ >130) und es gibt verlässliche Möglichkeiten, diesen IQ zu testen. Intelligenz im Sinne des IQs ist in der Bevölkerung normalverteilt. Abgesehen von Hochintelligenten, die tatsächlich einen IQ von über 130 aufweisen, sind ausgehend von dieser Betrachtungsweise etwa 15% der Bevölkerung überdurchschnittlich intelligent.
    Auch die Wegbereiter des Begriffes der Hochsensibilität gehen von einem Vorhandensein einer Hochsensibilität bei 15-20% der Bevölkerung aus. Zufall?

    Sehen wir die Selbstbeschreibung von Hochintelligenten Personen und stellen sie der Selbstbeschreibung von HSP gegenüber, fallen uns zahlreiche Überschneidungen auf. Ein hervorragender Artikel, der sich mit diesen Ähnlichkeiten befasst, findet sich folgend:
    https://www.eliane-reichardt.com/post/hochsensibel-und-hochbegabt-zwei-seiten-einer-medaille-2

    Hier nimmt Reichardt eine hervorragende Erläuterung zu den vier Merkmalen vor, die laut Aron vorhanden sein müssen, um von Hochsensibilität zu sprechen. Reichardt schlussfolgert: Ohne Hochintelligenz kann es keine Hochsensibilität geben. Anhand zahlreicher Zitate aus Arons „Sind Sie hochsensibel?“ schließt Reichardt implizit auf Intelligenz, indem typische Eigenheiten von HSM, die Aron formuliert, entsprechend umgedeutet werden. Zitat von Aron aus „Hochsensible Menschen in der Psychotherapie“(S.252): „Zu Intelligenzunterschieden möchte ich anmerken, dass ich noch nie die Kombination von niedriger Intelligenz und hoher Sensibilität gesehen habe, und vielleicht wäre sie bei der gründlichen Informationsverarbeitung der Sensiblen auch gar nicht möglich“.
    Es ist also festzustellen: Hochintelligenz und Hochsensibilität beziehungsweise überdurchschnittliche Intelligenz und überdurchschnittliche Sensibilität überschneiden sich, vielleicht treten sie sogar nur zusammen auf.

    Auch Andrea Brackmann, Autorin von „Jenseits der Norm – hochbegabt und hochsensibel?“, sieht hier einen klaren Zusammenhang und schreibt: „Hochbegabung bedeutet mehr von allem: mehr denken, mehr fühlen, mehr wahrnehmen“(S.111). Es gebe „(…) zahlreiche Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Introversion, Reizsensibilität und Intelligenz“. (S. 159) „Zusammengefasst ließe sich also festhalten: je höher der Intelligenzquotient einer Person ist, umso introvertierter ist sie; und je introvertierter sie ist, umso sensibler reagiert sie auf Umweltreize“. (S.159).

  • Ich habe eine Anmerkung. Ganz am Ende greifst du den Begriff der Introversion auf. Das ist gleichzeitig super spannend, es hat mich zum Nachdenken gebracht, und doch bleibt es unbefriedigend. Der Begriff kommt erst ganz zum Schluss zur Sprache, im letzten Satz sozusagen, und wurde weder vorher noch anschließend behandelt. Dass du das Zitat von Brackmann wegen der Reizsensibilität reinnimmst, leuchtet mir ein. Aber wieso du dann das Zitat im letzten Satz auf die Introversion im Besonderen verlängerst und damit den Artikel beendest, verstehe ich nicht ganz. (Außerdem empfinde ich das als Cliffhanger. :smile: )

  • bearbeitet April 2020

    @Jost schrieb:
    Gibt es konkrete (oder auch nicht ganz konkrete) Fragestellungen oder Themen, zu denen ihr auf einem solchen Blog gern lesen würdet?

    Mich interessieren lebenspraktische, d.h. alltägliche Aspekte des Lebens als HSP. Wie geht eine HSP damit im Alltag am besten um? Sozusagen bewährte Gewohnheiten für Beziehungen, Beruf, Kindererziehung und Lebensumfeld.

  • @Johannes schrieb:
    Ich habe eine Anmerkung. Ganz am Ende greifst du den Begriff der Introversion auf. Das ist gleichzeitig super spannend, es hat mich zum Nachdenken gebracht, und doch bleibt es unbefriedigend. Der Begriff kommt erst ganz zum Schluss zur Sprache, im letzten Satz sozusagen, und wurde weder vorher noch anschließend behandelt. Dass du das Zitat von Brackmann wegen der Reizsensibilität reinnimmst, leuchtet mir ein. Aber wieso du dann das Zitat im letzten Satz auf die Introversion im Besonderen verlängerst und damit den Artikel beendest, verstehe ich nicht ganz. (Außerdem empfinde ich das als Cliffhanger. :smile: )

    Der Artikel ist dort nicht zwangsweise zu Ende, es ist ja vorerst nur ein Entwurf!

  • @Johannes schrieb:

    @Jost schrieb:
    Gibt es konkrete (oder auch nicht ganz konkrete) Fragestellungen oder Themen, zu denen ihr auf einem solchen Blog gern lesen würdet?

    Mich interessieren lebenspraktische, d.h. alltägliche Aspekte des Lebens als HSP. Wie geht eine HSP damit im Alltag am besten um? Sozusagen bewährte Gewohnheiten für Beziehungen, Beruf, Kindererziehung und Lebensumfeld.

    Notiert

  • bearbeitet April 2020

    Eine Frage die mir hängen geblieben ist, wieso es Hochsensibilität heißt und nicht einfach nur Sensibilität. Das macht doch schon einen Unterscheid, ob man Hochsensibilität sagt oder Sensibilität. Man könnte ja auch Sensibel sein und Hochintelligent und nicht unbedingt Hochsensibel. Für mich klingt es so, als ob Hochsensibilität auch in Richtung emotionale labilität geht. Oder kommt nur mir das so vor?

  • @Yasin schrieb:
    Eine Frage die mir hängen geblieben ist, wieso es Hochsensibilität heißt und nicht einfach nur Sensibilität. Das macht doch schon einen Unterscheid, ob man Hochsensibilität sagt oder Sensibilität. Man könnte ja auch Sensibel sein und Hochintelligent und nicht unbedingt Hochsensibel. Für mich klingt es so, als ob Hochsensibilität auch in Richtung emotionale labilität geht. Oder kommt nur mir das so vor?

    Der Begriff hat sich im deutschsprachigen Raum so eingebürgert, er ist auch meiner Meinung nach definitiv eher negativ konnotiert, genau weil das allgemeine Verständnis davon in Richtung Labilität geht, wie du schon sagst, und "du bist aber sensibel" im gesellschaftlichen Kontext oft nicht positiv gemeint ist. Manche Wissenschaftler, die in die Richtung forschen, bevorzugen deshalb die Übersetzung "hochsensitiv" (orig. highly sensitive). Auf welche Begrifflichkeit ich auf einem geplanten Blog zurückgreife, weiß ich noch nicht sicher.
    Einfach nur "sensibel" zu sagen, ist nicht zielführend, weil es impliziert, dass man entweder sensibel ist, oder eben nicht. Das ist natürlich nicht wahr. Zwischen den beiden Polen gibt es unendlich verschiedene Zustände und Ausprägungen. Es gibt ja auch nicht nur "intelligent" und "nicht-intelligent". Im Gegensatz zu Intelligenz, die im Sinne von einem IQ untersucht wird, und wo es möglich ist, eine feste Kenngröße zu bestimmen und somit auf einer Skala auch die konkrete Grenze zu ziehen, ab wo jemand hochintelligent ist, geht das bei Sensibilität aber schwer. Intelligenz ist leicht quantifizierbar, Sensibilität nicht (eben, weil viele Begriffe wie Empathie, Emotionen usw im Konstrukt der Hochsensibilität eine Rolle spielen, die nicht oder nur sehr schwer quantifizierbar sind). Die Bezeichnung "hoch"sensibel und die Abgrenzung zu "normal"sensibel oder "überdurchschnittlich"sensibel ist damit in gewisser Weise beliebig und nicht trennscharf, was eine wissenschaftlich exakte Beschreibung erschwert, und weshalb viele Autoren auch sehr unterschiedliche Meinungen dazu haben. Konsens ist häufig die Definition von E.Aron.
    Vielleicht gibt es ein, zwei genetische Korrelate zu Hochsensibilität, anhand derer man das einigermaßen zweifelsfrei feststellen könnte. Da bin ich mir aber noch nicht sicher.

  • @Yasin schrieb: Für mich klingt es so, als ob Hochsensibilität auch in Richtung emotionale labilität geht. Oder kommt nur mir das so vor?

    @Jost Jetzt wo Yasin es sagt: Der Zusammenhang zu Neurotizismus würde mich auch interessieren. Nicht nur wissenschaftlich, sondern auch - wie oben bereits geschrieben - in einem erfahrungsbasierten und alltagspraktischen Kontext.

  • bearbeitet Mai 2020

    Das Thema der Hochsensibilität hat mich heute auch noch Mal zum nachdenken angeregt.
    Ich habe das Gefühl, das es einen Zusammenhang zwischen Hochsensibilität, Introversion, Openness to experience und Kreativität gibt.

    Warum denke ich das?
    Ich weiß nicht, ob ich Hochsensibel bin. Eine Möglichkeit das herauszufinden kenne ich nicht.
    Aber ich sehe, dass ich im Vergleich zu meinem Vater sehr viel offener bin für neue Erfahrungen und mich allgemein für neue Themen begeistern kann. Es scheint oft so, dass Kinder sehr dominanter Väter, die Konservativ sind zur Kreavität und auch Liberalität neigen. Mein Vater ist eher Konservativ und interessiert sich für Politik, Wirtschaft, Macht, Status und andere gesellschaftliche Themen. Diese Themen haben mich in meinem Leben persönlich z.B. nie wirklich - interessiert wäre das falsche Wort - beschäftigt. Ich bin eher introvertiert, sensibler und auch eher interessiert an Harmonie, anstatt Konkurenz.
    Was mir vorallem persönlich gefällt ist, Verbindungen zwischen verschiedenen Themen zu ziehen und zu erkennen, dass diese viel mehr Ähnlichkeiten haben als unterschiede. Grenzen trennen nicht nur ab. Sie verbinden auch. Ich denke, das hat auch mit Kreativität zu tun. Mein Vater sieht wahrscheinlich eher feste Grenzen.
    Was mir aber manchmal fehlt ist, die Geerdetheit von Ideen in der Realität, warum ich auch deswegen meine Annahmen oft überdenke und verbessere. Auch fehlt es meinen Ideen oft an Tiefgang bzw. gehe ich nicht sehr ins Detail.

    Ich habe jetzt viele Annahmen gleichzeitig gemacht und ich kenne nicht alles Zusammenhänge, aber ich denke, dass es Verbindungen zwischen den Themen gibt. Diese Gedanken sind wirklich sehr Interassant und da kann noch sehr viel herausgefunden werden.

  • Gibt in Black Swan von Taleb eine gute Passage, die zeigt, wo das Problem des Konzepts ist (Cemetery für diejenigen, die das Buch kennen):

    Hochsensibilität wird größtenteils selektiv unter dem Aspekt seiner Pathologie betrachtet. (Weshalb sich auch der Begriff meiner Meinung nach halten wird, oder die Versuche euphemistische Begriffe zu finden scheitern werden) Deswegen scheint Hochsensibilität eine Herausforderung. Aber diejenigen, die eine ebenso geartete erhöhte Wahrnehmung (oder die Selbstzuschreibung dieser haben), aber keine Probleme damit haben, sind unsichtbar oder zumindest deutlich weniger sichtbar. Besondes, wenn man Selbstauskünfte als Messmethoden hat: Ein psychisch stabiler Mensch zeichnet sich eben durch eine gewisse Gleichmütigkeit aus und beschreibt seine Empfindungen ganz anders als ein instabiler Mensch. Er ist weder überwältigt, noch benutzt er das Vokabular eine instabilen Menschen, wenn er intensive Empfindungen beschreibt.

    Habe schnell mal auf Wikipedia geguckt: Dafür spricht die Beobachtung, dass Hochsensibilität mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für psychische Störungen einhergeht: https://de.wikipedia.org/wiki/Hochsensibilität#cite_note-:8-44

    Auch der nachfolgende Satz kann in diesem Licht gelesen werden (Achtung: Lediglich andere Interpretation des Gleichen ist kein Argument!):

    Aron zufolge arbeiteten und arbeiten Hochsensible überdurchschnittlich oft als Geistliche, Autoren, Historiker, Philosophen, Richter, Künstler und Forscher.

    Meiner ganz und gar anekdotischen Beobachtung sind in diesen Bereichen eine Menge mehr psychisch labile Menschen (warum auch immer) tätig. (ohne Wertung)

    Technisch gesehen, hat man nicht die Sensitivität der Leute gemessen (ist ihre Wahrnehmung wirklich größer), sondern tatsächlich ihre Sensibilität (Empfindlichkeit):

    Es gab keinen Unterschied in der Genauigkeit im Entdecken von Veränderungen zwischen Hochsensiblen und Nicht-Hochsensiblen. Darüber hinaus waren Hochsensible in dieser Studie langsamer darin, geringfügige Änderungen zu entdecken.

    Und noch mehr:

    In einer anderen Studie reagierten Hochsensible schneller bei einer Aufgabe, bei der sie auf bekannte visuelle Reize reagieren mussten. Gleichzeitig berichteten sie aber, von der Aufgabe gestresster zu sein.

    Auf dieser Basis (ich gucke mal schnell, was auf Wikipedia steht.. haha) ist es viel wahrscheinlicher, dass hier lediglich die Überforderung von Leuten gemessen wird, weniger aber der Grund der Überforderung, die aus einer erhöhten Wahrnehmung oder auch durch einen erhöhten Neurotizismus oder psychischer Störung entstehen kann.

    Anekdotisch kann ich das für mich (Achtung: Bias-Alarm!) bestätigen. Mir wird eine hohe Sensitivität nachgesagt (üble Nachrede.. :kissing: ): Im Straßenverkehr und in der Öffentlichkeit nehme ich trotz meiner ausgesprochenen Kurzsichtigkeit mehr Dinge, schneller wahr als viele andere. Angeblich achte ich auf jedes Detail, wohingegen ich behaupte, dass mir diese Dinge einfach nur offensichtlich erscheinen und gar nicht besonders aufmerksam bin. Es passiert einfach. Jüngst hat sich das auch mit meinem Psychohund gezeigt: Ich reagiere wesentlich früher auf wesentlich kleinere Anzeichen im Verhalten als sowohl Nichthundebesitzer als auch Hundebesitzer.

    Gegeben meine Wahrnehmung ist intensiver: Wie äußert sich das in meinem Alltag? Bin ich überfordert oder so? Nein. Mich nerven die Leute im Supermarkt, weil ich manchmal denke, dass die ungefähr genauso elegant bewegen wie Staubroboter der vorletzten Generation bewegen. Auf Parties und in größeren Gruppen tendiere ich dazu, zu viel aufzudrehen und ins allzu extrovertierte zu kippen, was eher meiner Neigung geschuldet sein sollte, dass ich bei allem gleich etwas zu viel Gas gebe. Bin gezwungen sehr aufmerksam zu sein (zum Beispiel, wenn ich mit einem Klienten rede), ist das schon sehr kräftezehrend, aber das ist ebenfalls leicht dadurch zu erklären, dass ich auch dazu tendiere meine seelischen Energiespeicher stärker zu leeren, anstatt vorher bereits meine Stressreaktion zu regulieren. Und allgemein bin ich viel eher eine Frohnatur, als Pessimist und viel besser gelaunt.

  • bearbeitet Mai 2020

    @Johannes schrieb:

    @Yasin schrieb: Für mich klingt es so, als ob Hochsensibilität auch in Richtung emotionale labilität geht. Oder kommt nur mir das so vor?

    @Jost Jetzt wo Yasin es sagt: Der Zusammenhang zu Neurotizismus würde mich auch interessieren. Nicht nur wissenschaftlich, sondern auch - wie oben bereits geschrieben - in einem erfahrungsbasierten und alltagspraktischen Kontext.

    Meines Wissens gibt es keine Hinweise darauf, dass es generell einen positiven (edit: kausalen) Zusammenhang zwischen Neurotizismus und HS gibt. Was ich mir aber durchaus vorstellen kann, ist, dass eine neurotische Person HS als Erklärungsmodell in der Kommunikation mit der Außenwelt heranzieht, wenn es passt. Das ist dann ein ähnlich problematisch, wie wenn man Migräne, Depression oder andere nicht sichtbare Krankheiten "vorschiebt", um eine bestimmte Reaktion der Umwelt zu erreichen.

  • @Yasin schrieb:
    Das Thema der Hochsensibilität hat mich heute auch noch Mal zum nachdenken angeregt.
    Ich habe das Gefühl, das es einen Zusammenhang zwischen Hochsensibilität, Introversion, Openness to experience und Kreativität gibt.

    Zumindest der Zusammenhang von HS und Introversion wurde ja schon hier und dort beschrieben. Ich kopiere nochmal die Passage aus meinem Artikel-Entwurf:
    Auch Andrea Brackmann, Autorin von „Jenseits der Norm – hochbegabt und hochsensibel?“, sieht hier einen klaren Zusammenhang und schreibt: „Hochbegabung bedeutet mehr von allem: mehr denken, mehr fühlen, mehr wahrnehmen“(S.111). Es gebe „(…) zahlreiche Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Introversion, Reizsensibilität und Intelligenz“. (S. 159) „Zusammengefasst ließe sich also festhalten: je höher der Intelligenzquotient einer Person ist, umso introvertierter ist sie; und je introvertierter sie ist, umso sensibler reagiert sie auf Umweltreize“. (S.159).

    Warum denke ich das?
    Ich weiß nicht, ob ich Hochsensibel bin. Eine Möglichkeit das herauszufinden kenne ich nicht.

    Du könntest einen der zahlreichen Selbsttests machen. Das wäre dann aber höchstens ein Hinweis darauf, ob du hochsensibel bist oder nicht, und bei weitem kein Beweis.

    Aber ich sehe, dass ich im Vergleich zu meinem Vater sehr viel offener bin für neue Erfahrungen und mich allgemein für neue Themen begeistern kann. Es scheint oft so, dass Kinder sehr dominanter Väter, die Konservativ sind zur Kreavität und auch Liberalität neigen. Mein Vater ist eher Konservativ und interessiert sich für Politik, Wirtschaft, Macht, Status und andere gesellschaftliche Themen. Diese Themen haben mich in meinem Leben persönlich z.B. nie wirklich - interessiert wäre das falsche Wort - beschäftigt. Ich bin eher introvertiert, sensibler und auch eher interessiert an Harmonie, anstatt Konkurenz.
    Was mir vorallem persönlich gefällt ist, Verbindungen zwischen verschiedenen Themen zu ziehen und zu erkennen, dass diese viel mehr Ähnlichkeiten haben als unterschiede. Grenzen trennen nicht nur ab. Sie verbinden auch. Ich denke, das hat auch mit Kreativität zu tun. Mein Vater sieht wahrscheinlich eher feste Grenzen.

    Muster zu suchen ist ja etwas sehr ursprünglich menschliches. Ich glaube, so zu denken ist im Zuge der Entfremdung von der eigenen Natur einfach selten geworden. Mir geht es in dieser Hinsicht ähnlich wie dir.

    Was mir aber manchmal fehlt ist, die Geerdetheit von Ideen in der Realität, warum ich auch deswegen meine Annahmen oft überdenke und verbessere. Auch fehlt es meinen Ideen oft an Tiefgang bzw. gehe ich nicht sehr ins Detail.

    Ich habe jetzt viele Annahmen gleichzeitig gemacht und ich kenne nicht alles Zusammenhänge, aber ich denke, dass es Verbindungen zwischen den Themen gibt. Diese Gedanken sind wirklich sehr Interassant und da kann noch sehr viel herausgefunden werden.

  • bearbeitet Mai 2020

    @Sascha schrieb:
    Gibt in Black Swan von Taleb eine gute Passage, die zeigt, wo das Problem des Konzepts ist (Cemetery für diejenigen, die das Buch kennen):

    Taleb werde ich dann demnächst auch mal lesen, der kommt mir immer öfter unter in letzter Zeit...
    Die Passage unten paraphrasierst du, oder?

    Hochsensibilität wird größtenteils selektiv unter dem Aspekt seiner Pathologie betrachtet. (Weshalb sich auch der Begriff meiner Meinung nach halten wird, oder die Versuche euphemistische Begriffe zu finden scheitern werden) Deswegen scheint Hochsensibilität eine Herausforderung. Aber diejenigen, die eine ebenso geartete erhöhte Wahrnehmung (oder die Selbstzuschreibung dieser haben), aber keine Probleme damit haben, sind unsichtbar oder zumindest deutlich weniger sichtbar.

    Ja, das ist sicherlich der Fall.

    >

    Besondes, wenn man Selbstauskünfte als Messmethoden hat: Ein psychisch stabiler Mensch zeichnet sich eben durch eine gewisse Gleichmütigkeit aus und beschreibt seine Empfindungen ganz anders als ein instabiler Mensch. Er ist weder überwältigt, noch benutzt er das Vokabular eine instabilen Menschen, wenn er intensive Empfindungen beschreibt.

    Das sehe ich nicht ganz so. Stabilität heißt ja nicht, dass man keine Ausschläge in irgendeine Richtung hat, sondern dass man danach keine Probleme hat, wieder in seine Mitte zu kommen. Ergriffenheit ist nicht gleich Überwältigung, ebenso wenig ist Betroffenheit automatisch Überwältigung.

    Habe schnell mal auf Wikipedia geguckt: Dafür spricht die Beobachtung, dass Hochsensibilität mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für psychische Störungen einhergeht: https://de.wikipedia.org/wiki/Hochsensibilität#cite_note-:8-44

    Vermutlich eben, wie du oben schon dargestellt hast, weil diejenigen, die sich als HSP beschreiben und psychische Störungen haben, sichtbarer sind.

    Auf dieser Basis (ich gucke mal schnell, was auf Wikipedia steht.. haha) ist es viel wahrscheinlicher, dass hier lediglich die Überforderung von Leuten gemessen wird, weniger aber der Grund der Überforderung, die aus einer erhöhten Wahrnehmung oder auch durch einen erhöhten Neurotizismus oder psychischer Störung entstehen kann.

    Anekdotisch kann ich das für mich (Achtung: Bias-Alarm!) bestätigen. Mir wird eine hohe Sensitivität nachgesagt (üble Nachrede.. :kissing: ): Im Straßenverkehr und in der Öffentlichkeit nehme ich trotz meiner ausgesprochenen Kurzsichtigkeit mehr Dinge, schneller wahr als viele andere. Angeblich achte ich auf jedes Detail, wohingegen ich behaupte, dass mir diese Dinge einfach nur offensichtlich erscheinen und gar nicht besonders aufmerksam bin. Es passiert einfach. Jüngst hat sich das auch mit meinem Psychohund gezeigt: Ich reagiere wesentlich früher auf wesentlich kleinere Anzeichen im Verhalten als sowohl Nichthundebesitzer als auch Hundebesitzer.

    Gegeben meine Wahrnehmung ist intensiver: Wie äußert sich das in meinem Alltag? Bin ich überfordert oder so? Nein. Mich nerven die Leute im Supermarkt, weil ich manchmal denke, dass die ungefähr genauso elegant bewegen wie Staubroboter der vorletzten Generation bewegen. Auf Parties und in größeren Gruppen tendiere ich dazu, zu viel aufzudrehen und ins allzu extrovertierte zu kippen, was eher meiner Neigung geschuldet sein sollte, dass ich bei allem gleich etwas zu viel Gas gebe. Bin gezwungen sehr aufmerksam zu sein (zum Beispiel, wenn ich mit einem Klienten rede), ist das schon sehr kräftezehrend, aber das ist ebenfalls leicht dadurch zu erklären, dass ich auch dazu tendiere meine seelischen Energiespeicher stärker zu leeren, anstatt vorher bereits meine Stressreaktion zu regulieren. Und allgemein bin ich viel eher eine Frohnatur, als Pessimist und viel besser gelaunt.

    Eine der wichtigsten Aussagen, die ich bisher im Zusammenhang mit Hochsensibilität zweifelsfrei treffen kann, ist, dass (um in deiner Terminologie zu sprechen) ein solider Lebenswandel für sie noch erheblich wichtiger ist, als für nicht-Hochsensible. Geht man davon aus, dass es evolutionär Sinn macht (gemacht hat), dass ein gewisser Prozentsatz der Individuen sensibler ist als andere? Dann muss man zur Frage kommen, inwieweit die Moderne dem hoch sensiblen Individuum noch eine Umwelt bietet, in der diese Anlagen gewünscht, wertgeschätzt, gefordert oder toleriert werden. Gesellschaftliche Verantwortung und individuelle Verantwortung (Lebenswandel) treffen hier aufeinander.

  • @Jost schrieb:

    @Sascha schrieb:
    Gibt in Black Swan von Taleb eine gute Passage, die zeigt, wo das Problem des Konzepts ist (Cemetery für diejenigen, die das Buch kennen):

    Taleb werde ich dann demnächst auch mal lesen, der kommt mir immer öfter unter in letzter Zeit...
    Die Passage unten paraphrasierst du, oder?

    Ja, aber nicht spezifisch zum Thema HSP, sondern bezüglich des Phänomens "Look at the cemetery"

    Besondes, wenn man Selbstauskünfte als Messmethoden hat: Ein psychisch stabiler Mensch zeichnet sich eben durch eine gewisse Gleichmütigkeit aus und beschreibt seine Empfindungen ganz anders als ein instabiler Mensch. Er ist weder überwältigt, noch benutzt er das Vokabular eine instabilen Menschen, wenn er intensive Empfindungen beschreibt.

    Das sehe ich nicht ganz so. Stabilität heißt ja nicht, dass man keine Ausschläge in irgendeine Richtung hat, sondern dass man danach keine Probleme hat, wieder in seine Mitte zu kommen. Ergriffenheit ist nicht gleich Überwältigung, ebenso wenig ist Betroffenheit automatisch Überwältigung.

    Ich habe ja nicht geschrieben, dass ein stabiler Mensch keine Ausschläge im emotionalen Zustand erfährt. Aber ein stabiler Mensch erfährt diese nicht als überwältigend oder benutzt selbstpathologisierende Sprache (Eine Technik von Menschen, die äußere Hilfe suchen).

    Eine der wichtigsten Aussagen, die ich bisher im Zusammenhang mit Hochsensibilität zweifelsfrei treffen kann, ist, dass (um in deiner Terminologie zu sprechen) ein solider Lebenswandel für sie noch erheblich wichtiger ist, als für nicht-Hochsensible. Geht man davon aus, dass es evolutionär Sinn macht (gemacht hat), dass ein gewisser Prozentsatz der Individuen sensibler ist als andere?

    Ersetz' einfach den Begriff "Hochsensible" durch "Überforderte". Dann ändert sich nichts an den praktischen Implikationen. Und man bedient sich keines Konzepts, das auf so wackligen Beinen steht.

    Dann muss man zur Frage kommen, inwieweit die Moderne dem hoch sensiblen Individuum noch eine Umwelt bietet, in der diese Anlagen gewünscht, wertgeschätzt, gefordert oder toleriert werden. Gesellschaftliche Verantwortung und individuelle Verantwortung (Lebenswandel) treffen hier aufeinander.

    Naja. Die Gesellschaft keine Verantwortung übernehmen, weil sie keine Person ist. In der Praxis heißt so etwas immer, dass eine aufgeblähte Organisation namens Regierung beschließt ihr Gewaltenmonopol einzusetzen, um bestimmte Beschlüsse ihrer gesetzgebenden Organe zwangsweise durchzusetzen. Hier kann keine gesellschaftliche Verantwortung auf etwas anderes treffen, weil es keine gesellschaftliche Verantwortung geben kann, sondern nur staatlich monopolisierte Gewalt oder Androhung.

    Außer dem Überforderten können nur andere Menschen in seinem Umfeld übernehmen.

  • @Room101 Wie ist dein Stand mit dem Blog? Beschäftigst du dich noch mit dem Thema?
    Bin gerade über die Diskussion gestolpert und würde mich auch als hochsensibel (und überfordert:D) bezeichnen. Bin darauf zum ersten Mal aufmerksam geworden im Gespräch mit einem Klassenkameraden mit Asperger-Autismus. Uns ist aufgefallen, dass wir beide ähnlich viel mehr Details in unserer Umwelt wahrnehmen, als andere. Daraufhin habe ich mal etwas darüber im Internet recherchiert. Mir stellen sich dabei folgende Fragen:

    • Es scheint, als wäre Hochsensibilität etwas, was man von klein auf hat, ähnlich wie beim Asperger-Autismus. Weiß da jemand was genaueres zu, ob dem so ist oder ob sich das auch oft im Laufe des Lebens entwickeln kann? Kann sich mein "Wesen" verändern?
    • Mein Klassenkamerad erklärte sich verstärke Wahrnehmung ganz praktisch: Da er Probleme hat, Mimik und Gestik von Menschen zu erkennen und auf deren Emotionen und Stimmungen zu schließen, hat er einfach häufig vorkommende Gestik- und Mimikmuster auswendig gelernt, mit den dazugehörigen Emotionen. Daher war es für ihn zwingend notwendig, viel mehr auf Details zu achten. Bei mir ist es ähnlich: Ich achte vor allem deshalb mehr auf meine Umgebung, weil ich in allem eine potentielle Gefahr sehe und diese frühzeitig erkennen will. Worauf ich hinaus möchte ist folgendes: Meinen Beobachtungen zufolge scheint die Hochsensibilität einzelner Menschen oft eher ein Symptom oder eine Begleiterscheinung eines anderen Zustandes oder einer Erkrankung zu sein. Das trifft für mich auf alle Menschen zu, die ich kenne und die ich als hochsensibel beschreiben würde (n=6). Ist also Hochsensibilität wirklich nur ein Wesenszug, oder doch eher eine Art Hinweis auf ein anderes Problem? Was bringt das Konstrukt "Hochsensibilität" wirklich? Also was ist der Nutzen davon, jemanden als solches zu klassifizieren? (Warum nicht einfach als "überforert" wie Sascha vorgeschlagen hat?) (siehe Unten)
    • Ich frage mich, was ich daraus für mich und meinen Alltag ziehen kann. Dazu würde ich spontan sagen, dass ich eben ein besonderes Augenmerk auf meinen Lenswandel richten muss. Dinge wie gute Organisation, aktiv Ruhe suchen (z.B. in der Natur) und Übung im Umgang mit bestimmten Rezien müssen einfach ein Teil meines Lebens sein.
  • @Bege schrieb:
    @Room101 Wie ist dein Stand mit dem Blog? Beschäftigst du dich noch mit dem Thema?

    • Ich habe mich relativ schnell mit dem Thema "ausbeschäftigt" und dann auch die Idee des Blogs begraben. Es ist einfach nicht ergiebig genug. Es gibt ein bisschen, aber nicht viel gute Literatur darüber, die sich produktiv und ansatzweise wissenschaftlich damit beschäftigt. Der Rest driftet schnell und ausufernd in esoterische Gefilde ab, damit kann ich in dem Fall nichts anfangen.

    Bin gerade über die Diskussion gestolpert und würde mich auch als hochsensibel (und überfordert:D) bezeichnen. Bin darauf zum ersten Mal aufmerksam geworden im Gespräch mit einem Klassenkameraden mit Asperger-Autismus. Uns ist aufgefallen, dass wir beide ähnlich viel mehr Details in unserer Umwelt wahrnehmen, als andere. Daraufhin habe ich mal etwas darüber im Internet recherchiert. Mir stellen sich dabei folgende Fragen:

    • Es scheint, als wäre Hochsensibilität etwas, was man von klein auf hat, ähnlich wie beim Asperger-Autismus. Weiß da jemand was genaueres zu, ob dem so ist oder ob sich das auch oft im Laufe des Lebens entwickeln kann? Kann sich mein "Wesen" verändern?
    • Das ist einer der wenigen wirklich sehr interessanten Punkte, die ich aus meiner Recherche mitgenommen habe. "Roughly 15% of the general population possesses a variant of the behavioral gene called 5-HTTLPR, which regulates the neurotransmitter serotonin" (Donna Jackson Nakazawa, Childhood Disrupted, S.75) Träger dieser Variante haben schon in der Kindheit eine andere Stressantwort des Gehirns, was sie anders auf Umweltreize reagieren lässt. Das hat zahlreiche Folgen, insbesondere, wenn dann noch ein hoher ACE-Score dazu kommt. Ich habe mir gedacht, es wäre mal sehr interessant, alle (nach eigener Aussage) Hochsensiblen daraufhin zu untersuchen, ob sie Träger dieser Variante sind. Allerdings ist es natürlich sicherlich eine multifaktorielle Geschichte, wie sich eine eventuell vorhandene Variante dann ausprägt. Das liest man ja auch von Hochsensiblen: die Selbstbeschreibung schwankt über die komplette Skala von "Segen" zu "Fluch".
    • Mein Klassenkamerad erklärte sich verstärke Wahrnehmung ganz praktisch: Da er Probleme hat, Mimik und Gestik von Menschen zu erkennen und auf deren Emotionen und Stimmungen zu schließen, hat er einfach häufig vorkommende Gestik- und Mimikmuster auswendig gelernt, mit den dazugehörigen Emotionen. Daher war es für ihn zwingend notwendig, viel mehr auf Details zu achten. Bei mir ist es ähnlich: Ich achte vor allem deshalb mehr auf meine Umgebung, weil ich in allem eine potentielle Gefahr sehe und diese frühzeitig erkennen will.
    • S.38 (ebd.): Stressantwort: Kleinigkeiten stressen und hängen lange nach. "... can´t distinguish between real danger and perceived stress"
      "An adult who came of age without experiencing traumatic childhood stress might meet the same stressor and experience that same spike in cortisol, but once that stressor has passed ,he or she quickly returns to a state of rest and relaxation"

      Worauf ich hinaus möchte ist folgendes: Meinen Beobachtungen zufolge scheint die Hochsensibilität einzelner Menschen oft eher ein Symptom oder eine Begleiterscheinung eines anderen Zustandes oder einer Erkrankung zu sein. Das trifft für mich auf alle Menschen zu, die ich kenne und die ich als hochsensibel beschreiben würde (n=6). Ist also Hochsensibilität wirklich nur ein Wesenszug, oder doch eher eine Art Hinweis auf ein anderes Problem? Was bringt das Konstrukt "Hochsensibilität" wirklich? Also was ist der Nutzen davon, jemanden als solches zu klassifizieren? (Warum nicht einfach als "überforert" wie Sascha vorgeschlagen hat?) (siehe Unten)

      • Ich frage mich, was ich daraus für mich und meinen Alltag ziehen kann. Dazu würde ich spontan sagen, dass ich eben ein besonderes Augenmerk auf meinen Lenswandel richten muss. Dinge wie gute Organisation, aktiv Ruhe suchen (z.B. in der Natur) und Übung im Umgang mit bestimmten Rezien müssen einfach ein Teil meines Lebens sein.
    • Ich bin mir sicher, dass Lebenswandel eine wichtige Komponente ist, ja. Auch, aber nicht nur, wenn man davon ausgeht, dass eine veränderte Gehirnphysiologie mit einer low grade inflammation einhergeht.

  • Interessante Diskussion. Ich frage mich, ob das Konstrukt Hochsensibilität wirklich als eigenes Konstrukt messbar ist oder einfach ein Persönlichkeitsmerkmal, dass schon ausreichend über die Big Five gemessen und erklärt werden kann?

    Mir scheint es so zu sein, auch wenn ich jetzt nicht die Studienlage dazu kenne. Wenn man sich die Big Five und ihre Facetten anschaut, dann gibt es sehr viele Überschneidungen. Dann gibt es auch noch ein sehr ähnliches Konzept von Hartmann (1989), dass Konzept der ,,dünnen Grenzen'', was wiederrum stark mit dem Big Five Faktor ,,Offenheit für Erfahrungen'' zusammenhängt. Von der Überschneidung von Intelligenz und Hochsensibilität wird auch gesprochen. Da fällt mir ein, dass Intelligenztests auch oft die ,,Verarbeitungsgeschwindigkeit'' messen. Also das intelligente Personen einfach schneller Infos/Wahrnehmungen etc. verarbeiten, was dann vielleicht den Eindruck macht man nimmt Dinge anders wahr, als andere Personen, wobei man einfach nur schneller ist und damit in gleicher Zeit mehr verarbeiten/wahrnehmen und damit behalten kann, weil auch die ,,Arbeitsgedächtniskapazität'' bei intelligenten Menschen höher ist. Ich würde daher die Frage von @bege daher damit beantworten, dass es keinen Sinn macht Personen als hochsenibel zu charakterisieren und dass es lediglich ein Ausdruck der Persönlichkeit und vielleicht auch der Intelligenz ist und - wenn ein subjektiver Leidensdruck besteht - Hinweis auf ein Problem sein kann.

    Das Wesen (Persönlichkeit) kann sich sicherlich verändern, auch wenn diese Veränderungen nicht sehr groß sein dürften. Hier gibt es einen Übersichtsartikel https://www.die-bonn.de/zeitschrift/42013/erwachsenenbildung-05.pdf

    Hartmann, E. (1989). Boundaries of dreams, boundaries of dreamers: thin and thick bounda-ries as a new personality measure. Psychiatric Journal of the University of Ottawa, 14, 557-560.

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